Elbetour
Anfangs September 2009 unternahmen wir eine Radtour entlang der Elbe von Hamburg bis Magdeburg. Hier ein kleines Reisetagebuch und (wie immer zu) viele Fotos. Darunter auch wie immer ein paar Blumen vom Wegrand und – mein persönlicher Spleen – jeweils ein Blick aus dem Hotelfenster.
Diese Tour lebt allerdings in erster Linie von den Natureindrücken, und diese lassen sich meist nicht so einfach mit einer kleinen Kamera einfangen.
Über allfälliges Feedback freuen wir uns natürlich immer.
Ursalina und Martin
Anreise/Hamburg
7 km Stadtverkehr
Das fängt ja schon mal gut an! Als wir in Zürich die Velos verladen wollen, fehlt das entsprechende Abteil, obwohl wir (und auch viele andere) die ensprechenden Plätze reserviert haben. Zum Glück ist das Behindertenabteil nicht besetzt und die Räder werden mit Hilfe des Personals dort und in der zugehörigen Toilette verstaut.
Dann die Nacht in den unmöglichen Liegesesseln. Kaum bin ich endlich etwas weggedöst, werde ich wieder vom Kondukteur geweckt (es ist unterdessen weit nach Mitternacht). In diesen Sessel wieder einschlafen zu können ist unmöglich. Gegen drei Uhr fällt mir ein, dass bei den Rädern noch eine unbenutzte flache Pritsche steht. Also nichts wie hin. So komm ich doch noch zu etwas Schlaf und erwache erst wieder, als es zu tagen beginnt.
Über Hamburg möchte ich hier nicht viele Worte verlieren, das haben schon genug andere getan. Ausserdem sind wir nicht gerade erklärte Liebhaber von Grossstädten. Eine Stadtrundfahrt mit dem offenen Doppelstockbus musste trotzdem sein.
Dann die Übernachtung im mitten in St.Pauli gelegenen und trotzdem wunderbar ruhigen Hotel St. Annen.
Hamburg - Lauenburg
71 km
Am nachsten Morgen dann die (negative) Überraschung; das Wetter ist eher trübe. Trotzdem machen wir uns nach dem Frühstück auf den Weg. Aber kaum sind wir losgefahren, beginnt es zu regnen und in Kürze giesst es wie aus Kübeln. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als unter einer Brücke unser Regenzeug herauszusuchen und das Gepäck halbwegs wasserdicht zu verpacken.
Während wir die Stadt langsam hinter uns lassen, hört auch der Regen wieder auf und wir fahren auf kilomterlangen, teilweise bröckelnden Betonbändern durch die Marschlandschaft. An schilfgedeckten Reethäusern, Windmühlen und kleinen Dörfern gehts vorbei. Bei Geesthacht wechseln wir die Flussseite. Gegenüber steht der Industriekomplex, in dem Alfred Nobel einst das Dynamit erfand.
Nach einem Bier im Hofkaffee
«Zur roten Buche»
ausserhalb von Artlenburg, erreichen wir dann am Nachmittag Lauenburg, ein direkt an der Elbe gelegenes,
historisches Städtchen.
Bis wir dann allerdings bei unserer Unterkunft, die Lauenburge Mühle – Hotel und Museum
in einem – angelangt sind, müssen noch ein paar Höhenmeter auf grässlichem
Kopfsteinpflaster überwunden werden. Die Besichtgung des Städtchens verschieben wir auf den
nächsten Morgen. Nach einem guten Nachtessen verziehen wir uns auf unser Zimmer und betrachten aus
dem Fenster die ständig wechselnden Gewitterstimmungen.
Lauenburg - Hitzacker
66 km
Nach der Besichtigung des Städtchens verlassen wir am nächsten Tag bei trockenem Wetter Lauenburg. Durch flaches Marschland erreichen wir Bleckede, wo wir mit der Fähre wiederum die Seite wechseln.
Wir befinden uns nun auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Bei Konau stehen auch noch zwei ehemalige Wachttürme und Reste des Grenzzauns. Überbleibsel dieses Zauns sieht man auch sonst überall, sei es als Garten- und Weidezaun oder zum Schutz von Obstbaumstämmen.
Weiter geht es durchs flache Land, durch Alleen aller Art, vorbei an Kanälen und Elb-Altläufen.
Wiederum mit einer Fähre erreichen wir Hitzacker, unser heutiges Tagesziel. Auch hier sind aber bis zur Unterkunft im Parkhotel noch einige Steigungen zu erklimmen. Dank der genauen (bzw. nicht vorhandenen) Wegbeschreibung fahren wir dabei auch noch einen grossen Umweg.
Am Abend dann ein Spaziergang durch das sehenswerte Städtchen mit den vielen Riegelhäusern und einer der grössten Hochwasserschutzanlagen Deutschlands. Bei einem guten Nachtessen im Restaurant «Am Yachthafen» beschliessen wir diesen Tag.
Hitzacker - Wittenberge
89 km
Am nächsten Morgen gehts dann bei kühler Witterung weiter. Dafür hilft der bei der Fortbewegung der Rückenwind mit. Auch heute wieder, kaum grössere Orte, dafür viel Natur. Die Ruine der Bahnbrücke von Dömitz erinnert schmerzhaft an die neuere deutsche Geschichte, der Viadukt führt etwa einen Kilometer über die Ebene, um dann kurz vor der Elbe einfach aufzuhören.
Auf der Karte sind einige «Berge» eingezeichnet, 15 und 25 Meter hoch. Bei den Häusern stehen immer mehr gelbe Andreaskreuze, ein untrügliches Zeichen, dass wir uns Gorleben nähern. In Gorleben selber finden wir allerdings nicht allzuviele Menschen, viele sind samt Traktoren an einer Kundgebung gegen das Atommülllager in Berlin. Die Wirtin im Restaurant Kaminstube, in dem wir eine hervorragende Karotten-Aprikosensuppe essen, hält allerdings nicht viel von solchen Aktionen.
Weiter gehts, etwas weg von der Elbe, am Gartower See vorbei zum kleinen Städtchen Schnackenburg. Kurz danach wechseln wir beim Stresower See engültig in die ehemalige DDR. Eine kleine Gedenkstätte erinnert noch noch an diese Zeit.
Dann überqueren wir vor unserem Tagesziel Wittenberge wieder einmal die Elbe. Schon von der Brücke aus sehen wir, dass dort irgendein Fest läuft. Als wir dann allerdings den Ort erreichen, da haben wir das Gefühl in eine Geisterstadt zu kommen, praktisch kein Mensch ist auf den Strassen zu sehen. Irgenwo finden wir noch einen offenen, aber auch fast leeren Biergarten und trinken noch etwas, bevor wir das Hotel Hotel Prignitz suchen.
Dort erfahren wir dann auch, dass das Fest, das wir von weitem gesehen haben, dazu dienen soll, die noch verbliebenen 18'000 von ehemals doppelt so vielen Einwohnern, etwas zusammen zu schweissen. Immerhin wurden hier Jahrzehnte lang Singer- und Veritas-Nähmaschinen gebaut. Ob allerdings ausgerechnet Geier Sturzflug mit ihrem Sozialproduktsong (100% Playback!) dazu die richtigen Unterhalter sind, wage ich in Frage zu stellen.
Wittenberge - Havelberg
46 km
Die kühle Witterung mit Rückenwind bleibt uns auch auf dieser kürzesten Etappe der Tour erhalten. Dabei fahren wir zu einem grossen Teil zwischen Elbe und Havel, die manchmal nur durch einen Damm voneinander getrennt sind. Vorher kommen wir noch am Storchenstädtchen Rühstädt vorbei. Die Störche sind allerdings schon längst unterwegs in den Süden.
Kurz vor Havelberg dann eine riesige Schausteller- und Marktstadt. Es ist der letzte Tag des «Havelberger Pferdemarktes». Pferde sind allerdings keine mehr zu sehen, dafür läuft das Volks-und Verkaufsfest auf vollen Touren. Die ersten Käse- und Wurstverkäufer – obwohl mit riesigen Sattelschleppern angereist – sind ausverkauft. 200'000 Besucher sollen an den vier Tagen da gewesen sein, lesen wir am nächsten Tag in der Zeitung.
Über mehrere Brücken und quer durch die Inselstadt erreichen wir schliesslich unser Hotel am Hafen in Havelberg.
Am Abend dann noch eine Bummel durch dieses sehenswerte Städtchen mit dem riesigen Dom auf dem höchsten Platz. Die Altstadt selber liegt mehrheitlich auf einer in der Havel gelegenen Insel. Nach dem Bummel geniessen wir noch ein feines Nachtessen im Fischrestaurant «Havelleuchtturm», in dem es durchaus nicht nur Fisch gibt.
Havelberg - Tangermünde
70 km
Bei merkbar höheren Temparaturen, dafür mit Gegenwind, machen wir uns auf diese Etappe. Und die beginnt gleich mit einem Missgeschick. Wir verpassen nach Havelberg eine Abzweigung und kommen statt zur Fähre von Räbel zu derjenigen von Sandau. Übrigens eine interessante Konstruktion; sie hängt an einem langen an einem Ufer befestigten und mit ein paar Schwimmkörpern versehenen Seil und wird allein durch die Strömung angetrieben. Ein Modell, dass es nach Auskunft des Fährmanns, nur an der Elbe gibt (wir haben es allerdings ein Jahr später auch an der Saale gesehen).
Unseren Fehler bemerken wir allerdings erst, als wir aus der falschen Richtung im Dörfchen Burg ankommen. Dafür können wir uns mit wilden Pflaumen und vor allem Zwetschgen stärken, die überall am Weg wachsen.Auf einigen Umwegen erreichen wir dann trotzdem noch das Städtchen Werben.
Von dort gehts dann weiter Richtung Arneburg. Statt gelbe Andreaskreuze wie in Gorleben, sind es nun vermehrt rote, die an Häusern und Scheunen hängen. Diese richten sich gegen ein geplantes Kohlekraftwerk in der Gegend von Arneburg.
An weitern kleinen Ortschaften vorbei erreichen wir dann die Hansestadt Tangermünde, den
bisher wahrscheinlich interessantesten Ort auf dieser Tour. Die Stadt wird dominiert von
historischen Gebäden aus diversen Epochen.
Unser Nachtessen nehmen im Restaurant «Exempel», einem umgebauten ehemaligen Schulhaus,
das gleichzeitig als Museum dient, ein. Das Umfeld ist interessant, das
«Kuhschwanzbier»
schmeckt, das Essen hält sich eher in Grenzen.
Tangermünde - Magdeburg
95 km
Bei schönstem Wetter und entsprechendem Gegenwind starten wir zu dieser letzten und
längsten Etappe.
Jerichow lassen wir, trotz Empfehlungen, angesichts der langen Strecke links liegen und bleiben vorläufig
auf der linken Elbeseite. Wie schon die Tage vorher gehts vorbei an herrlichen Auenlandschaften,
kleinen, unscheinbaren Dörfern und Windmühlen. Wunderschön auch die Seen und
Altläufe bei Sandkrug vor Rogätz.
Dort wechseln wir dann per Fähre wieder einmal die Flussseite und machen noch einen kleinen
Abstecher ins alte Städtchen Burg mit den vielen Türmen.
Dann ist es auch nicht mehr weit bis zu unserm Tages- und Tourziel Magdeburg. Wieder einmal sind allerdings die Reiseunterlagen so klar, dass wir noch längere Zeit mit der Suche nach dem Hotel «Alt Prester» beschäftigt sind. Schliesslich finden wir es, etwa fünf Kilometer nach Magdeburg.
Inzwischen haben wir auch noch einen Platten eingefangen und geflickt. Dann stellen wir fest, dass es in diesem «Bett & Bike»-Hotel nicht mal eine brauchbare Luftpumpe gibt. Auch dass es beim Restaurant direkt nebenan eine Pumpstation hätte, scheint hier niemand zu wissen.
Magdeburg/Rückreise
38 km Stadtverkehr
Der letzte Tag ist für eine Stadtbesichtigung der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt reserviert. Auch wenn die Stadt im Zweiten Weltkrieg mehrheitlich zerstört wurde, gibt es noch viel historisches, vor allem jede Menge – z.T. säkularisierte – Kirchen. Zum grossen Teil wurden diese nach dem Krieg wieder aufgebaut. Daneben gibt es ganze pompös angelegte, breite Strassen gesäumt mit entsprechenden, in Sozialistischem Klassizissmus erstellten Bauten.
Einen Gegensatz dazu bilden neue Geschäftshäuser, der letzte Bau des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser und diverse witzige Skulpturen und Brunnen. An der Elbe breiten sich diverse Strandrestaurnts aus.Abends fahren wir fahren zurück nach Alt Prester, besuchen noch die neben dem Hotel liegende Immanuelkirche (die heute ein Restaurant mit Biergarten ist) und verbringen eine weitere Nacht in diesem Hotel.
Und schon wird es wieder Zeit Abschied zu nehmen. Mit dem Zug geht es quer durch ganz Deutschland, bis wir wieder zuhause ankommen.